3. "Mobiler Klassenraum" - ein Projekt an der Hövelschule, Grundschule in Essen im Stadtteil Altenessen.

 

3.1 Zur Planung und zeitlichem Ablauf des Projekts

Das Projekt an der Hövelschule anzusiedeln, hatte mehrere Gründe: eine schulreformerisch aufgeschlossene Schulleitung mit der Schulleiterin Frau Bülow, einer Klassenlehrerin, Frau Monika Mathias, mit Sportbefähigung, die von Anfang an im Projektsinne arbeitete und die Mobilität kreativ zu nutzen versteht und Schülerinnen und Schüler aus einem verdichteten Wohngebiet mit wenig Spiel- und

Bewegungsmöglichkeiten. Desweiteren war die Ortsnähe zur Sportpädagogik der Universität Gesamthochschule Essen gegeben.

Zeitlich wurde im Herbst 1995 mit Beginn des zweiten Schuljahrs die Projektklasse mit dem mobilen Inventar ausgestattet und sie wird bis zum Ende des 4. Schuljahres (Sommer 1998) seitens der Hochschule betreut.

3.2 Wissenschaftliche, schul- und bewegungspädagogische Begleitung

Die bewegungswissenschaftliche Fragestellung richtet sich auf die Effekte, die durch den Einsatz der neuen mobilen Elemente entstehenden körperlichen Belastungen, sowie durch die gezielt verhandelten Bewegungsthemen im Unterricht sich bei den Schülern bzw. bei dem einzelnen Kind feststellen lassen. Vor allem interessierte die Überprüfung der Annahme, daß sich eine deutlich erkennbare qualitative Verbesserung des psychomotorischen Zustands bei der Projektklasse im Vergleich zu einer Kontrollklasse (Parallelklasse an der Hövelschule, die in einer herkömmlichen Raumausstattung unterrichtet wird) nachweisen läßt. Als Untersuchungsmethode wurde der von Kiphard und Schilling entwickelte Körperkoordinationstest für Kinder (KTK) herangezogen. Untersucht wurde und wird nach jedem Schulhalbjahr Modell- sowie Vergleichsklasse.

Zusätzlich wurde ein vom Fachorthopäden Dr. med. N. Möllers entwickeltes Meßverfahren zur Messung der Haltekräfte des Rückens angewandt, um positive bzw. negative Effekte des nicht mehr durch eine Stuhllehne unterstützten Sitzens feststellen zu können.

Die schulpädagogische Begleitung erstreckt sich auf gemeinsame Planung und Inszenierung von Unterrichtsthemen mit Hilfe der mobilen Elemente als Requisiten und die Dokumentation solcher Inszenierungen zur kritischen Beurteilung bzw. Anregung für weitere "mobile Klassenzimmer" (Beispiel siehe bitte Anhang) Die bewegungspädagogische Betreuung erfolgt durch die Diplomsportlehrerin B. Sobczyk, die fachlich für die Entwicklung, Planung und Durchführung der Bewegungsthemen im Unterricht zuständig ist. Ebenso wie die Unterrichtsthemen wurden und werden die Bewegungsthemen mit Video- Foto- Aufnahmen dokumentiert (Hierzu auch die von B. Sobczyk beschriebenen Unterrichtsbeispiele s. Literatur).

Unterrichtsszenen:

3.3 Bisherige Ergebnisse

Die erheblichen psychomotorischen Verbesserungen bei der Modell- im Vergleich zur Kontrollklasse sprechen für das mobile Klassenzimmer. Während zu Beginn des 2. Schuljahres die Kinder der Modellklasse noch etwas schwächer als die Vergleichsklasse beim ersten Test abschnitten, heben sich nun nach Ablauf des zweiten und dritten Schuljahres die Kinder der Modellklasse deutlich von der Vergleichsklasse positiv ab.

Interessant sind auch die Ergebnisse bezogen auf die Entwicklung der zunächst bewegungsgestörten Kinder in der Modellklasse. Nach zwei Schuljahren sind alle Kinder im normalen Bereich der Testskala. Das ist psychomotorisch gesehen ein besonders beachtenswerter Effekt der mobilen Klasse. Zusätzlich läßt sich feststellen, daß für alle Kinder der Modellklasse im Laufe der beiden getesteten Schuljahre die psychomotorische Leistungsfähigkeit gestiegen ist, während die Kinder der Kontrollklasse in ihren Testergebnissen schlechter geworden sind.

Die orthopädischen Untersuchungen über die Rückenhaltekräfte belegen ebenfalls einen deutlichen Zuwachs bei der Modell- im Vergleich zu der Kontrollklasse (Die Untersuchungen wurden über ein Schuljahr hinweg dreimal - zu Beginn des zweiten Schuljahres, nach einem halben Schuljahr und zu Ende des zweiten Schuljahres durchgeführt).

Ein überraschender Tatbestand ergab sich bezüglich der Qualifikation für weiterführende Schulen: Elf Kinder der Modellklasse gingen ab Herbst 1998 auf weiterführende Schulen. Während die Parallelklassen im üblichen Rahmen des Altenessener Einzugsgebietes, eine Klasse 4 Schüler, eine weitere Klasse 0 Schüler, für weiterführende Schulen melden können, hatte selbst die Klassenlehrerin der Modellklasse mit diesem nun im vierten Schuljahr erreichten Ergebnis nicht gerechnet. Es wird noch genauer bei weiteren Schulversuchen zu prüfen sein, inwieweit das mobile Klassenzimmer auch die allgemeine schulische Leistung der Kinder im Vergleich zum herkömmlichen Unterricht verbessern kann.

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