Projektbericht

1. Das Grundproblem oder warum wir etwas tun müssen

Obwohl es den meisten Kindern heute gutzugehen scheint, sprechen Wissenschaftler Ärzte, Pädagogen - vom Bewegungsmangel, von Zunahme an Haltungsschwächen und -fehlern, ja sogar vom "Schwinden der Sinne" (Film des NDR 1993) bei Kindern. Dafür scheint es Gründe zu geben: Vermehrter Rückzug in die Häuser, Verlust der Straßenkindheit, verstärkte Zuwendung zu Medien, zu elektronischem oder auch anderem Spielzeug. Kinder, so stellen Pädagogen fest, erschließen sich immer weniger ihre Umwelt selbständig. Erfahrung aus erster Hand scheint mehr und mehr ersetzt durch über Fernsehen und Computerspiele vermittelte simulierte Welten. Der Verlust an sinnlichen Wahrnehmungen, an Bewegung scheint gang und gäbe. Nun könnte man schnell sagen, das ist ein Problem der Familienerziehung, die Kinder müssen raus aus den Häusern - heraus zum Spielen und Herumstreifen. Doch wie wir alle wissen, liegt das Problem tiefer, versteckt in der Gesamtstruktur unserer technisierten Welt, in die auch die Kinder unmittelbar verwickelt und der sie auch ausgeliefert sind.

Ein Ort, an dem Kinder sich mit dieser Problematik im Sinne eines vernünftigen, humanen Lebens auseinandersetzen können, ist die Schule. Die Schule heute ist jedoch weit davon entfernt, Erfahrungs- und Bewegungsraum für Kinder zu sein. "Die Schule neu denken" fordert uns der Pädagoge Hartmut v. Hentig (1) auf Angesichts der Tatsache, daß schon Schulanfänger in hohem Maße, wie es bei Schuleingangsuntersuchungen u.a. in Düsseldorf und Essen festgestellt wurde, mit erheblichen Bewegungsdefiziten und auch -störungen in die Schule kommen, muß auch Schule als eine Lebenswelt, in der Kinder dieser technisierten Gesellschaft einen Großteil ihrer Alltagszeit zubringen, sich fragen, wie ernst sie die offenkundig gewordenen Entwicklungstatbestände nimmt.

Die Kritik an der verkopften, bewegungsarmen Schule ist nicht neu. Forderungen wurden immer wieder erhoben: Mehr Sportunterricht, tägliche Bewegungszeit, aktive Spielpause usf. als kompensatorische Maßnahmen gegen einen Unterricht, in dem die Schüler diszipliniert stillgesetzt sind, damit sie konzentriert die Lehre aufnehmen und umsetzen können. Die herkömmliche Schule hat in langer Tradition ihre Vorstellung vom Schulehalten fixiert, deutlich sichtbar in der Gestaltung der Klassenräume. Wenn sich auch das traditionelle Bild verändert zu haben scheint - von aufgestellten Bankreihen für Schüler und Katheder für Lehrer - zu Stühlen und Tischen für die Schulinsassen, so hat sich an der Grundstruktur wenig geändert - Schüler sein erfordert hauptsächlich kontrolliertes Stillsitzen, aufnahmebereit für die Lehrthemen. (2) Um die Belastungen durch den ständigen Sitzzwang zu mildem, wurde lange Zeit mit großem Aufwand die Entwicklung ergonomisch richtiger, größengerechter Bestuhlung betrieben, u.a. ein Beleg dafür, wie notwendig die sitzende Tätigkeit der Schüler schulpädagogisch schien. Als erster Schritt, aber mehr als therapeutische Maßnahme wurde der Sitzball in der Grundschule bedeutsam, der als Sitzgelegenheit für dynamisches Sitzen (durch die Gleichwichtsanforderung) das ständige passive Sitzen auf dem Stuhl für kürzere Abschnitte unterbrechen sollte.

Die Idee des Mobilen Klassenzimmers setzt dagegen radikaler (von der Wurzel aus) an, um Unterricht als einen Ort aktiver Bewegungsauseinandersetzung zu ermöglichen.

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